Morgens am Meer

Halb sieben am Strand von Wangerooge. Eine halbe Stunde zuvor hatte der Wecker geklingelt. Der prüfende Blick aus dem Fenster wollte nicht recht verraten, ob sich das frühe Aufstehen lohnen würde. Aber schließlich war ich verabredet. Also im Bad ein wenig gerichtet, in die spätsommerlich-leichten Klamotten geschlüpft, die Hotelzimmertür hinter mir zugezogen, im Foyer ein „Moin“ gewünscht und gemeinsam hinunter zum Meer.

Schnell wird klar: Das Aufstehen hat sich gelohnt. Eine Wolkenformation dümpelt träge am Osthimmel. Die Sonne schiebt sich langsam aber bestimmt am Horizont empor. Sie streift die nächtlich-verwaisten Strandkörbe mit einem ersten, warmen Licht. Ein Moment zum Alles-andere-Vergessen. – Das Meer, die alte Dramaqueen, hats eben drauf.

Der Reiz der Nordsee

Nur zwei, drei andere teilen diesen Moment am Strand mit uns. Überhaupt kommen diese frühen Septembertage auf der östlichsten der bewohnten Ostfriesischen Inseln angenehm entspannt daher. Durchaus betriebsam, doch nie wirklich voll wirkend; weder der überschaubare Ort noch die langen Sandstrände.

Später am Vormittag mache ich es mir in einem der Strandkörbe bequem. Gerade hatten wir uns ein wenig in Thalasso geübt, uns bei Atemübungen das Reizklima der Nordsee zunutze gemacht. Jetzt noch ein wenig aufs Meer zu schauen, ist genau genommen eine weitere Reizklima-Einheit. Und dabei so entspannend. Angenehme Temperaturen locken später sogar noch mal kurz ins Wasser.

Sand am Meer

Jetzt und hier, auf der Nordseite der etwa acht Kilometer langen und bis zu gut zwei Kilometer breiten Insel, ist kaum vorstellbar, welche Kräfte jeden Herbst und Winter an der Insel nagen. Schon die erste große Sturmflut kann ganze Strandabschnitte verschieben und verschlucken. Mit etwas Pech wird über Nacht aus dem breiten Badestrand eine teils meterhohe Steilküste. Mit noch mehr Pech nimmt sich der Sturm nicht „nur“ den Badestrand, sondern frisst sich in die schützenden Dünen im Inselwesten.

An und für sich ein natürliches Phänomen: Große Stürme tragen jeweils im Westen der Ostfriesischen Inseln den Sand ab, im Osten spült es den Sand wieder an. Wären die Inseln nicht bewohnt, könnte man die Natur vielleicht sogar sich selbst überlassen. So aber zieht jeder große Sturm enorme Anstrengungen nach sich, um die Insel zu schützen oder um den Erwartungen der Urlauber gerecht zu werden. Ein aufwändiges und teures Unterfangen, mitten im Nationalpark Wattenmeer.

Erst Anfang 2017 musste wieder im großem Stil Sand im Westen und am Hauptstrand aufgefüllt werden. Mehr als 5.000 Fuhren verfrachteten große Muldenkipper dazu von der Ostspitze der Insel.

Spitzen-Spaziergang

Die Ostspitze von Wangerooge erleben wir am Abend: Der gepflasterte Weg, den wir hinter dem Dorf hinausradeln, heißt „Straße zum Osten“. Ein Name, so pragmatisch wie selbstbewußt. Wir schließen die Räder bei einer Info-Tafel ab und gehen zu Fuß auf der Wattseite der Insel weiter. Aus Steinpflaster wird Sand, aus Inselruhe eine kleine Einsamkeit.

Vor allem der Queller zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Das etwa handhohe Gewächs ist eine Pionierpflanze in den Salzwiesen. Er siedelt sich knapp unterhalb der Hochwasserlinie an, wo ihn das Meerwasser täglich zweimal umspült. Über seine Wurzeln nimmt der Queller mit dem Meerwasser auch das darin gelöste Salz auf, das sich in der Pflanze anreichert. Naheliegend, dass der Queller auch als Salzstange des Meeres bekannt ist. Andere bezeichnen ihn als Meerspargel, denn er lässt sich wie Spargel essen. Oder aber in Speisequark angerührt mit Pellkartoffeln. Würde ich in allen Varianten sofort probieren!

Der Tag endet mit einem ebenbürtigen Pendant des Morgens. Wir gelangen zur Ostspitze von Wangerooge, machen kehrt und spazieren auf der Meerseite in den Sonnenuntergang …

Wangerooge-Tipps:

Anreise: Bis zur Küste mit dem Auto oder mit Bahn und Bus. Zum Schluss (einer kurzer Flug oder) mit dem Schiff. Die knapp einstündige Schiffsüberfahrt ist von der Tide, also von den Gezeiten abhängig. Der Fahrplan ist gleitend. Auf der Insel geht es dann für die allermeisten mit der Inselbahn weiter. Die Fahrt durch die Salzwiesen bis in den Ort kann durchaus ein erstes Highlight während des Aufenthalts sein.

Nationalpark: Informationen rund um das Wattenmeer gibt es im Nationalpark-Haus Wangerooge. Außerdem lassen sich hier verschiedene Inselführungen buchen, auch die Abendwanderung um die Ostspitze. Im Garten ist das Skelett eines 2016 auf Wangerooge gestrandeten Pottwals zu sehen.

Päuschen: Gewissermaßen eine Institution auf Wangerooge ist das Café Pudding, direkt an der Strandpromenade.

(Ergänzung Januar 2019) Zum Weiterlesen: Umfangreiche Datenanalysen wie die von Correctiv deuten darauf hin, dass sich Landabbrüche wie der auf Wangerooge häufen werden. Klimawandel? Findet statt.

Wangerooge habe ich während einer Pressereise von Die Nordsee GmbH kennengelernt. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung