Wanderung zum Rocher des deux Trous

Keine Ahnung, ob ich in die Berge südlich von Avignon gelangte, weil unsere wanderbegeisterte Vermieterin uns den Tipp gab, oder weil ich im Wanderguide, den ich auf der Rückfahrt aus Barcelona noch fix aufs Handy geladen hatte, darüber gestolpert war. 

Fest stand: Jetzt, im Winter schien mir eine ideale Zeit zu sein, um in der Provence zu wandern. Im Sommer würden mich wahrscheinlich keine zehn Pferde dazu bekommen, hier länger als nötig durch die mediterrane Hitze zu stiefeln, aber jetzt …

Les Alpilles

Und dann allein schon der Name der Gegend: Les Alpilles. – Das hört sich nicht nur nach den Alpen in Klein an. Sondern das heißt es auch: Kleine Alpen. Älpchen, wenn man so will. Im Deutschen sind sie eher als Alpillen bekannt, was für meine Begriffe wahlweise militärisch streng oder pharmazeutisch benebelnd klingt. 

Kleine Alpen also. Tatsächlich ist der Gebirgszug sehr überschaubar: er zieht sich 30 Kilometer von West nach Ost und wird dabei etwa zehn Kilometer breit. Von Süden her reichen weite Olivenhaine bis an die Berge heran, die Bergspitzen selbst sind ziemlich zerklüftet und umgeben von allerlei immergrünem Hartlaubgebüsch.

Ganz gleich, ob Busch oder Baum – alles ist hier vom Wind gezeichnet und zerzaust, denn der Mistral leistet ganze Arbeit. Genau so, wie man es von Bildern von Vincent van Gogh in Erinnerung hat. Das wiederum kommt nicht von ungefähr, denn einige von van Goghs berühmtesten Bildern entstanden hier: Ein Jahr, von 1889 bis 1890, verbrachte der holländische Maler in der Psychiatrischen Klinik des Klosters Saint-Paul-de-Mausole in Saint-Rémy-de-Provence. In jenem Jahr malte er unter anderem die Sternennacht, die Olivenbäume mit gelbem Himmel und Sonne oder auch das Weizenfeld mit Zypressen. Die Anregungen dazu fand er im und am Kloster, später bei Ausflügen in die Berge.

Am Kloster starten auch wir unsere Tour, auf der Südseite des Klosters führt ein Weg in die Berge, Le (Rocher des) deux Trous ist ausgeschildert und soll das Ziel unseres Ausflugs sein. Und als wenn van Gogh allein nicht schon genug Kultur auf dieser Wanderung wäre, stolpern wir auf den ersten Wegmetern direkt an den Ruinen der antiken Stadt Glanum vorbei, bevor uns der Wald verschluckt.

Statt dann auf dem naturkundlichen Weg zu bleiben – die Alpillen sind seit 2007 regionaler Naturpark und allerlei Infotafeln vermitteln allerlei Wissenswertes – schwenken wir an einer Kortenstahlsäule auf einen recht unscheinbaren Pfad ins Gebüsch ein: Der Sentier des échelles du Mont Gaussier bietet auf kurzer Strecke ein großartiges Spektakel. Es geht über eine Leiter direkt an den Fels, durch kleinere Steinbögen und größere Tunnelhöhlen hindurch, hier und da helfen Sicherungen über etwas ausgesetzte Stellen hinweg, obendrauf gibt es ein herrliches Panorama.

Diese kleine Herumkraxelei runden wir ab, indem wir am Kamm hinübergehen zum Rocher des deux Trous, dem Fels mit zwei Löchern. Dass einen Berg weiter mega-prominent ein kolossaler Sendemast steht, blenden auch wir für einen Moment großzügig aus. So ist das manchmal mit touristischen Wahrheiten. 

Zurück nach Saint-Rémy gelangen wir, indem wir weiter gegen den Uhrzeigersinn gehen und den nächsten Weg ins Tal nehmen, der in einem Bogen wieder zum Kloster führt. 

Tipps zur Wanderung ab Saint-Rémy-de-Provence

Hin und weg: Der Ausgangspunkt der Wanderung, das Kloster Saint-Paul-de-Mausole befindet sich am südlichen Ende von Saint-Rémy. Im Winter, wenn besonders wenig los ist, kann man mitunter direkt am Kloster parken, ansonsten auf dem Besucherparkplatz von Glanum – einer der wichtigsten archäologischen Ausgrabungsstätten aus der Römerzeit in Frankreich (ggf. nach der Wanderung noch das Gelände erkunden).    

Auf den Spuren van Goghs: Das Kloster ist für Besucher geöffnet. Bis auf wenige Ausnahmen im Jahr, beispielsweise Silvester. Wer Pech hat und im Kloster selbst den Kreuzgang oder auch das Zimmer von van Gogh nicht besuchen kann, hat außerhalb, zwischen dem Kloster und den antiken Ruinen von Glanum, mitten in den Oliven, die Möglichkeit, diverse Schautafeln ausfindig zu machen, die Bilder van Goghs zeigen, die er genau hier gemalt hat. 

Die Wanderung zum Rocher des Deux Trous ist etwa 7 km lang. Tolle Aussichten und Fotospots gibt es reichlich, so dass man 2 – 3 Stunden einrechnet, mit Picknick-Pause entsprechend länger. Achtung bei Wanderungen im Sommer: dann werden Wege immer wieder wegen hoher Waldbrandgefahr gesperrt.

Die Natur-&-Kultur-Kombi: Ein ziemlich hervorragender Ausgangspunkt, um beides unter einen Hut zu bringen, war für uns Avignon. „Sur le pont d’Avignon …“ ist wahrscheinlich jedem im Kopf, der auch nur ansatzweise ernsthaft versucht hat französisch zu lernen. Dementsprechend gibt es kein Vorbei an der Brücke; auch wenn man vielleicht nicht zwingend auf die Brücke selbst muss. Ansonsten: Die Kathedrale von Avignon ist sehenswert; alternativ kann man sich stun-den-lang durch die Gassen der Altstadt treiben lassen. Immer im Juli heißt es „Theater total“ beim Festival d’Avignon.

Unterkunft: Wir haben das kleine Bed & Breakfast „Le Figuier“ direkt außerhalb der Stadtmauer von Avignon gefunden. Etwas versteckt in einer Sackgasse hat Gastgeberin Sandrine ein gemütliches Refugium mit zwei Gästezimmern geschaffen. Sie parliert bei Bedarf in bestem Englisch, fotografiert und wandert sehr gern, verrät Tipps für die Stadt, und, und, und …

… als das mit dem Fotografieren noch etwas komplizierter war. Überall antiquiertes Foto-Equipment im Le Figuier.

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