Vier Tage im Vorgarten der Tauern-Gletscherwelt

Auf der Tauerntour gibt’s Tuchfühlung mit Österreichs ganz Großen: Entgegen des Uhrzeigersinns geht’s um das Kapruner Tal. Auf dem Weg kaum eine Menschenseele. Dahinter, zum Greifen nah, die Gletscherwelt der Hohen Tauern. Wer bei dieser Tour auf den Geschmack kommt, sollte sich die Umrundung des Großglockners fürs nächste Mal merken.

Tag 1 – Zur Krefelder Hütte

Aborterker. Beim Betreten des kleinen Raumes muss ich unweigerlich an mittelalterliche Burgen denken. Mit kleinem Erker über dem Burggraben. Keine weiteren Details. Irgendwie habe ich also im zweiten Stock der Talstation des Maiskogelbahn just diese Assoziation. Vielleicht, weil das Gebäude unförmig schmal und lang direkt an den Berg „geklebt“ ist. Statt Burggraben unten direkt die Straße, die hinauf zu den großen Stauseen Wasserfallboden und Mooserboden führt.

Wenn ich in den Alpen unterwegs bin, meide ich die Benutzung von Bergbahnen weitestgehend. Ganz ideologiefrei, es gibt Ausnahmen. Heute ist so eine: Die Wolken hängen tief, immer wieder regnet es. Mal mehr, mal weniger. Und wir wollen zur ersten Hütte unserer Tauerntour. Wir haben die Wahl zwischen dem Fußweg durch ein Gelände, das sich in der Karte wenig interessant liest, und einem als aussichtsreichen Gratweg beschriebenen Alexander-Enzinger-Weg. So ist er dann auch.

Wenn schon bescheidenes Wetter, dann doch bitte mit einem schönen Weg! Selbst mit eingeschränkter Sicht ist der empfehlenswert. Bei diesem Wetter ist hier nicht viel los. Bis … wir einige Schafe am Wegesrand erblicken. Sie scheinen’s heute besonders öde zu finden. Oder sie verwechseln uns einfach mit ihrem Schäfer. Jedenfalls reihen sie sich auf den Weg ein und folgen uns. Erst fünf, dann zehn. Von unten und von oben kommen sie, gemächlich oder im Schafstrab. Und plötzlich haben wir wohl um die 80 Tiere hinter uns. Einen Kilometer, zwei Kilometer … Als ich zwischendurch einen Müsliriegel aus meinem Rucksack ziehe, muss ich selbigen energisch gegenüber den wolligen Gesellen verteidigen. Neugieriges Schafsvolk!

Begleitung am Alexander-Enzinger-Weg
Begleitung am Alexander-Enzinger-Weg

Nicht mehr weit und wir haben unser Tagesziel, die Krefelder Hütte erreicht. Gedanklich lege ich mir schon ein paar Worte der Entschuldigung zurecht, wenn wir dann wohl gleich mit Shaun & friends vor der Hüttentür stehen. Doch dann geschieht’s: Statt uns weiter zu folgen, überholt uns die Rasselbande nun. Immer schneller werden die Tiere, bis sie abdrehen auf den Hang oberhalb des Weges, wo sie wieder zur Ruhe kommen. Das Geheimnis ist schnell gelüftet: Salzlecksteine sind hier ausgelegt.

Tag 2 – Zum Heinrich-Schwaiger-Haus

Neben uns ist nur noch ein Wander-Duo auf der Krefelder Hütte. Sie hatten den alternativen Anstieg über die Salzburger Hütte gewählt. Mit ihnen, insgesamt zu fünft also, werden wir die nächsten Tage parallel oder gleich ganz zusammen laufen.

Es ist der letzte Tag der Sommersaison. Geräumig ist sie, die Krefelder Hütte. Mit modernen Lagern, warmen Waschräumen. Ihre Lage ist im Winter sicher recht schön. Immerhin ist man hier mitten im Gletscherskigebiet am Kitzsteinhorn. Jetzt aber wirkt der Weg hinauf zum Alpincenter Kaprun reichlich trostlos: Draußen wird mit großem Gerät der Hang bearbeitet, riesige Jutematten sind zum Erosionsschutz ausgelegt. Der Gletscher zieht sich eh wie fast überall immer weiter zurück.

Unser Kurs dreht aus dem Skigebiet ab und führt als Hochkammerweg in vielen Kehren hinauf zur Nördlichen Kammerscharte. Bald dahinter geht’s ebenfalls recht steil und nun versichert wieder hinab. Dann queren wir über lange Rasenhänge hinunter und hinüber zur Fürthermoaralm.

Beim Abstieg von der Nördlichen Kammerscharte  zum Mooserboden gibt es zwei versicherte Stellen.
Beim Abstieg von der Nördlichen Kammerscharte zum Mooserboden gibt es zwei versicherte Stellen.

Im Hintergrund thront die Staumauer des Mooserboden-Stausee. Unser Versuch, nicht alle Höhe zu verlieren – schließlich müssen wir ja oben über die Mauer laufen, endet irgendwann weglos zwischen Kühen. Wenn’s auch nicht logisch erscheint – sinnvoll ist’s wahrscheinlich allemal, schon zeitiger hinunter zum planierten Wanderweg zu gehen.

Zum Mooserboden gelangen die meisten Besucher mit dem Bus: Das Auto muss man am Kesselfall Alpenhaus stehenlassen. Als Wanderer kommen wir durch ein kleines Holzgatter gelaufen und werden ein wenig beäugt. Sonst läuft hier oben heute kaum jemand mit festen Bergschuhen herum, geschweige denn mit einem „schweren“ Rucksack auf dem Rücken.

Auf der anderen Seite der Staumauer zeigt der Pfeil steil nach oben. Quasi direkt über uns, auf einer kleinen Aussichtskanzel liegt majestätisch das Heinrich-Schwaiger-Haus. Dort, auf gut 2.800m, kocht sich der Hüttenwirt mit seinem Team in die Herzen der Bergsteiger. Hätten wir das vorher gewusst, wären uns die letzten 700hm, die wir nun vom Talboden hinaufsteigen müssen, sicher leichter vom Fuß gegangen. So ist’s bei diesem ersten Mal eine phantastische Überraschung.

Tag 3 – Über den Gleiwitzer Höhenweg zur Gleiwitzer Hütte

Der spektakulärste Tag der Tour! Vor allem, weil ich damit so nicht gerechnet hatte.

Während die meisten anderen Hüttengäste – mitunter schon vor Stunden – nach oben Richtung Großes Wiesbachhorn aufgebrochen sind, heißt es für uns wieder: absteigen. Bis kurz vor die Staumauer müssen wir, von dort zunächst eben ein ganz kurzes Stück auf einem Fahrweg weiter. Und bald wieder bergauf. Erst sacht, dann steiler; erst auf einem breiten Pfad, dann auf immer schmaleren Spuren. Besser nicht stolpern: Die Grasflanke steht herrlich grün im Saft. Doch zum zweiten Stausee des Gebiets, dem Wasserfallboden, geht es kompromisslos weit hinab.

Am Hausebenrücken – der, wie der Name schon impliziert: etwas flacher ist – führt es uns Richtung Kammlinie und Kempsenkopf hinauf. Der Berg hat auf dem Weg dorthin einen langen, schmalen Riss, der sich, wenn man so will: diagonal durch das Bergbild zieht.

Die höchste Stelle der Tauernrunde - der Kempsenkopf - ist fast erreicht.
Die höchste Stelle der Tauernrunde – der Kempsenkopf – ist fast erreicht.

Die Pause auf dem Kamm könnte uns eine wunderbare Aussicht bieten, wenn sich nicht gerade die Wolken zusammenschieben würden.

Unser Fünfer-Gespann mischt sich ein bisschen durch: Zwei biegen noch Richtung Hoher Tenn ab. Wir übrigen drei nehmen derweil den Abstieg in Angriff. Schon kurze Zeit später bin ich froh um die Wolken, die so einiges verdecken und schlucken. Denn überraschend schmal ist der Gleiwitzer Höhenweg hinab zur Oberen Jägerscharte. Manchmals kommt’s eben in natura doch noch mal ganz anders, als man sich das im Vorfeld vorgestellt hat. Links und rechts geht’s stellenweise unerwartet fix gen Tal. Wie weit, das lässt sich Dank der weißen Suppe um uns herum nur erahnen. Über lange Strecken versichert, schlängelt sich der Weg mal über Platten, mal ausgesetzt immer weiter hinab. Zum Schluss noch eine – ebenfalls bestens versicherte – Steilrinne, ein Stück über Schnee und ein gemütlicher Ausklang über große Mattenböden. Hier, zur Krönung des Tages, schon fast an der Gleiwitzer Hütte, entdecken wir eine riesige Wiese voller Edelweiß!

„Na, ihr lacht ja noch“ – ob dies das übliche Willkommen von Hüttenwirtin Sieglinde ist? Ja, alles gut. Nur bei schlechtem Wetter würden wir dort oben nicht „herumturnen“ wollen.

Tag 4 – Abstieg ins Tal

Immer wieder schieben sich große Wolken über die Gipfel. Noch immer haben wir den Verlauf des Gleiwitzer Höhenwegs nicht in seiner vollen Pracht sehen können. Immerhin sehen wir heute vom Talkessel ein gutes Stück mehr.

Die letzte Etappe der Tauernrunde führt zunächst 200hm bergauf zur Brandlscharte. Da es von hier nur noch bergab geht, entscheiden wir uns für ein kleines „Extra“. Rettenzink oder Imbachhorn – welcher der beiden nahen Hausgipfel der Gleiwitzer Hütte verspricht die potenziell bessere Sicht? Unsere Wahl fällt auf den Rettenzink. Der Weg dorthin ist kurz, mit einer kurzen Versicherung zwischendurch. Auf dem Gipfel dann: Wunderschöne Wolken – und wir mitten drin. Wir müssen wohl einfach noch mal wiederkommen, um einen gescheiten Blick auf die Berge ringsum zu erhaschen.

Der Abstieg hinunter zur Kapruner Ache gestaltet sich für meinen Geschmack eher als Pflichtveranstaltung: In schier endlosen Kehren verlieren wir zunächst ein gutes Stück der Höhe. Auf dieser Bergseite haben wir nun immerhin unsere Weitsicht. Der schmale Pfad schlängelt sich lange über saftig-grüne Almwiesen. Weiter unten, schon im lichten Wald, finden wir auf einer kleinen Wiese eine Anhöhe. Perfekt für eine Brotzeit. Und den letzten Blick für heute auf die Gletscher.

Gleiwitzer Hütte - Hohe Tauern
Gleiwitzer Hütte – Hohe Tauern

Tipps:

Die zahlreichen Gedenktafeln für verunglückte Bergsteiger am Gleiwitzer Höhenweg sprechen eine deutliche Sprache: Wer die eindrucksvolle Tauerntour gehen möchte, in Sachen Gleiweitzer Höhenweg aber ins Grübeln kommt, kann das Mitnehmen eines Klettersteigsets in Erwägung ziehen. Es hilft zwar nicht im oberen Bereich, zwischen dem Kempsenkopf-Kamm und der Oberen Jägerscharte, da es hier keine (bzw. nur wenige?) Versicherungen gibt. Allerdings kann es mitunter dem Sicherheitsgefühl im Abschnitt unterhalb der Unteren Jägerscharte dienlich sein.

Der Übergang vom Heinrich-Schwaiger-Haus zur Gleiwitzer Hütte ist nur bei guten Wetterbedingungen ratsam. Die Grashänge auf dem Weg zum Kempsenkopfkamm sind steil und lang!

Karten: Die 1:25.000er AV-Karte „Glocknergruppe“ sowie (für den ersten Tag) die 1:50.000er Karte 34/2 „Kitzbühler Alpen“/Östliches Blatt.

Zum Nachlesen und Vorbereiten gibt es ein Faltblatt des DAV.

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