Allgemein Deutschland

Ich bau mir einen Berg

Crashkurs Aluminiumplastik

Wie viel Kreativität bleibt verborgen, weil wir uns nicht trauen loszulegen und zu machen? – Oft genug ist da eine vage Idee von etwas. Und allzu einfach ist es, diese Idee wieder zu verwerfen. Zensiert vom eigenen Zweifel. „Ich bin künstlerisch nicht sonderlich begabt“, ist gerne die reflexhafte eigene Antwort auf das innere Nagen. Und schon ist die Chance vertan.

Dabei ist, wenn es nach Joseph Beuys geht, jeder Mensch ein Künstler, wenn er es nur zulässt, seine Fähigkeiten zu entfalten. Und manchmal braucht es Zeitdruck, für dieses Entfalten, denke ich mir im Laufe des Tages:

Ausgehend von Beuys Formulierung tauschen wir uns mit Stefan Wimmer, dem Direktor der Kunstakademie Bad Reichenhall, über Kunst aus. „Jeder Mensch bringt Kreativität mit auf die Welt, Einfallsreichtum ist für Kinder von Geburt an selbstverständlich“, erklärt er. In einem der großen Kurssäle haben wir ein paar Tische auf dem farbübersprenkelten Boden zusammengeschoben. In dem alten Salinengebäude finden rund ums Jahr Akademie- und Meisterkurse statt und so umwabert die Aura der Kunst uns förmlich.

Stefan Wimmer ermutigt uns zu einem kleinen Experiment: eine viertel Stunde gibt er uns, um uns im großen Innenhof der Alten Saline umzuschauen und Dinge zu sammeln, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zurück im Kurssaal präsentieren wir sie. Da kommen Blätter und Äste auf den Tisch, ein Kleiderbügel und eine Klopapierrolle. Jeder erzählt, was die eigenen mitgebrachten Fundstücke bedeuten und wie sie zusammengehören. Wir tasten uns gedanklich immer weiter. Ist das noch Spielerei oder schon Kunst? Oder beides?

Von der Idee zum Kunstwerk

Am Nachmittag geht’s an die Praxis – wir wollen eine Aluminiumplastik gestalten. Niemand von uns hat so etwas bisher gemacht und so unterstützen uns die österreichischen Künstler Manuel und Tobias Gruber. Die Brüder breiten alle notwendigen Materialien auf dem Tisch aus: Styropor und Filzstift, Bunsenbrenner und Messer.

Erst einmal eine Idee finden! – Irgendwas mit Berg, denke ich mir. Naheliegend für mich, schließlich sind wir hier in Bad Reichenhall, die Stadt selbst ist zwischen Untersberg, Hochstaufen und Predigtstuhl und gelegen. Es ist nur einen Sprung in die Berchtesgadener Alpen. Der Rest sind in diesem Moment spontane Assoziationen und Gedanken.

Aber das jetzt umsetzen? Ich schnapp mir einen Styroporquader und halte mich an die Anweisungen von Manuel und Tobias: zögerlich markiere ich auf dem weißen, leichten Schaumkunststoff mit dem Filzer die Umrisse meines Berges. Überflüssiges Material schneide ich großzügig weg; für Feinheiten erhitze ich das Messer über der Flamme des Brenners und brutzel die Konturen frei, erst vorsichtig, dann einigermaßen sicher.

Irgendwie ganz okay, aber irgendwie … Soll ich noch mal beginnen? Nee, Stichwort Zeitdruck, dazu reicht die Zeit nicht. Außerdem: wer sagt, dass das hier gleich ein Meisterwerk werden muss? 

Die Positivform wird nun in einen großen Trog gebettet, ein Sandgemisch ringsum fest angedrückt. Weiter geht‘s draußen, wo Manuel und Tobias in einem Schmelztigel schon Aluminium verflüssigt haben. Jetzt gießen sie unser Styroporteile mit der silbrigen Masse aus.

Es zischt. Es stinkt. Es rußt. Das Styropor verdampft und das Aluminium füllt den entstanden Raum. Eine Weile lassen wir den Sandtrog ruhen, graben dann unsere Aluminiumplastiken heraus, kühlen sie im kalten Wasser ab und reinigen sie von den gröbsten Rückständen. Jetzt das ganze noch mit einer Drahtbürste blitzblank schrubben? Ich entscheide mich dagegen. So wie‘s ist, ist‘s genau richtig.

Running 'round in circles, 2018
Running round in circles, 2018

Transparenzhinweis: Die Aluminiumplastik habe ich im Rahmen einer Pressereise auf Einladung von Berchtesgadener Land Tourismus gegossen.

Mehr zur Kunstakademie Bad Reichenhall auch in diesem Beitrag von einem früheren Besuch. Weitere Einblicke bei Andreas auf Lustaufnatour.

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