Bergsofa

Was mit Bergen

Loch Muick in den Cairngorm Mountains, Schottland

Buchtipp-Frühlings-Edition

Es gibt diese Tage, an denen man nichts anderes will, als in die Berge zu gehen. Und es gibt diese Tage, an denen man nichts anderes will, als über Berge (und alles, was damit zu tun hat) zu lesen. Vielleicht sollten wir das eh wieder viel mehr tun – einfach daheim bleiben und uns die Berge aufs Sofa holen. Die Bergstraßen sind vom Tagestourismus ein wenig entlastet, während Hirn oder auch Fantasie auf Hochtouren laufen.

Berge

(c) Edition Lichtung. Lichtung Verlag GmbH

Bergsofa oder Waldlichtung?, das ist hier die Frage. Jedenfalls ist dieses Büchlein prädestiniert, zu einem Lesenachmittag mitgenommen zu werden. Waldlichtung!, wäre meine Empfehlung: Angelehnt an eine riesige, alte Tanne lässt sich dann stundenlang in den Texten blättern, hier und da hängen bleiben und irgendwann doch systematisch von vorne anfangen.

In der Berg-Anthologie sind Gedanken, Geschichten und Gedichte von 25 bayerischen Autoren versammelt. Weniger bekannte Namen stehen neben denen von Bergsport-Größen. Sie nehmen uns mit in den Bayerischen Wald, in die Bayerischen (Vor-)Alpen und hier und da auch weiter weg; zum Käsen auf die Alm und zum Free Solo in die Wand. Sehr angenehm ist auch die Haptik des Buches, so dass man sich ertappt, immer wieder drüber zu streichen: Ein dicker, fester und etwas rauer Umschlag, der ohne weiteres auch den Transport im Rucksack unbeschadet übersteht.

Alpenpflanzen in ihren Lebensräumen

(c) Haupt Verlag

Der Naturführer aus dem Schweizer Haupt-Verlag ist wärmstens zu empfehlen. Mit einer Einschränkung: Für den blutigen Anfänger oder das schnelle Bestimmen zwischendurch ist das Buch nichts. Das liegt am außergewöhnlichen Konzept des Buches, denn als Leser lernen wir die Pflanzen in ihrem jeweiligen Lebensraum kennen.

Zunächst geht’s daher an die Basics: Nach einem Überblick zur Geologie der Alpen, zu den Höhen- und Vegetationsstufen lernen wir die Landschaft zu lesen. Es gilt, Kalkgebirge von Silikatgebirgen zu unterscheiden, Flach- und Hochmoorkomplexe, Hochstaudenfluren und alpine Rasen. Ausgehend von 18 wichtigen Lebensräumen können wir dann die Alpenpflanzen bestimmen. Zum Konzept gehört es auch, dass sich nicht nur Blumen bestimmen lassen, sondern auch Gehölze vorgestellt werden. Eine empfehlenswerte Ergänzung zu den ebenfalls bei Haupt erschienenen Büchern „Säugetiere der Alpen“ und „Vögel der Alpen“.

Yoga. Für Kletterer und Bergsportler

(c) Bergverlag Rother

Es dürfte nicht von ungefähr kommen, dass eine der grundlegenden Yoga-Positionen die „Berghaltung“ ist. Tadasana heißt diese aktive und stark erdende Standhaltung. Und egal, ob man jetzt an den Fels in der Brandung oder einen majestätischen Alpengipfel denkt, dürfte das Ziel klar sein: unverrückbar und stark wie ein Berg sein und mit beiden Füßen ganz fest im Leben stehen, die innere Ruhe finden. Mit dieser Position eröffnet das an Kletterer und Bergsportler gerichtete Yoga-Buch aus dem Bergverlag Rother. Fast möchte man ein „Wie könnte es anders sein?“ hinterherschicken.

Was das eine (Yoga) mit dem anderen (Klettern und Bergsport) zu tun hat? Von der rein sportlichen Seite ließe sich sagen: erst mit dem nötigen Quäntchen Beweglichkeit kann die Muskulatur zeigen, was sie so drauf hat. Aber es geht um mehr – den Kopf, die innere Haltung, um den achtsamen Umgang mit sich selbst. Dass nicht früher jemand auf die Idee für dieses Buch gekommen ist, verwundert ein wenig, denn sie erscheint allzu logisch: Wie kann ich das Feingefühl für meinen Körper verbessern, so dass mir diese Erfahrung auch beim Klettern oder Bouldern hilft? Und was genau macht Yoga mit Menschen am Berg? – Zu diesen Fragen kommen auch verschiedene Kletterer, Mediziner oder Yogalehrer zu Wort. Das Buch ersetzt gewiss keinen Yogakurs im Studio, stellt jedoch eine ziemlich gelungene Ergänzung für das Üben daheim und vor der Berghütte dar. Nicht zuletzt auch, wenn man beispielsweise ganz gezielt Übungen sucht, um nach einem langen Bergtag zu relaxen oder seine Wehwehchen zu vertreiben.

Die Steinflut

(c) btb Verlag

Diese Novelle von Franz Hohler gehört sicher zu den eindrucksvollsten Beschreibungen einer sich anbahnenden Naturkatastrophe, die ich in den letzten Jahren gelesen habe: Es ist der 11. September 1881, in einem Dorf in den Schweizer Bergen. Als sich von einer Bergflanke immer wieder einzelne Felsbrocken lösen und ins Tal purzeln, glaubt niemand, dass sich der gesamte Berghang in Bewegung setzen und das Dorf und seine Bewohner unter sich begraben könnte.

Die Bauern des Dorfes, die sich aus dem Schieferabbau ein wenig Wohlstand, zumindest aber das Entrinnen aus der Armut erhoffen, nehmen die immer wiederkehrenden Steinschläge nicht ernst oder sind schlichtweg zu unerfahren, um eine echte Gefahr zu erkennen. Einzig die siebenjährige Katharina nimmt Dinge wahr, die sich als Vorzeichen lesen lassen, wie das merkwürdige Verhalten einiger Tiere.

Hohlers Beschreibungen lassen einen förmlich dabei sein in dem ärmlichen Bergdorf; wenn Katharina sich im dunklen, niedrigen Haus der Großmutter bewegt, wenn sie die knarzende Treppe hinaufgeht, wenn … Die Novelle beruht auf einem realen Ereignis, dem Bergsturz von Elm in den Glarner Alpen, bei dem es nur wenige Überlebende gab.

Der lebende Berg

(c) Matthes & Seitz Berlin

Zum Schluss ist die Frage nicht, wie viel wir gesehen haben, sondern wie wir gesehen haben. Das wird einmal mehr deutlich, wenn man in dem kleinen Büchlein von Nan Shepherd liest: Die Schottin verbrachte in ihrem langen Leben Hunderte von Tagen in den Cairngorms, einer Berggruppe im schottischen Nordosten. Wie wahrscheinlich niemand anderes kannte sie diese Bergregion, begrenzte und konzentrierte sich auf sie, intensivierte ihren Blick.

Nan Shepherd suchte nicht das große Abenteuer, sondern streifte oft genug einfach nur durch die Landschaft. Was sie dabei wahrnahm, schrieb sie auf und hinterließ ein wunderbares Büchlein. Gerade heute, in Zeiten, in denen wir uns immer weiter von der Natur entfernen, zeigt „Der lebende Berg“, wie wir körperliche Erfahrungen wahrnehmen – Texturen, Klänge, Gerüche. Ihr Buch ist, wie es Robert Macfarlane in seinem Vorwort nennt, so auch „eine Hymne an … das Berühren, Schmecken, Riechen und Hören der Welt“.

Über die Bücher

  • „Berge. Ein Lichtung-Lesebuch“, Herausgegeben von Kristina Pöschl und Eva Bauernfeind, Lichtung Verlag GmbH (2018), Umfang 168 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-941306-77-6
  • „Alpenpflanzen in ihren Lebensräumen. Ein Bestimmungsbuch“ von Peter Mertz, Haupt-Verlag (2017), Umfang 480 Seiten, 34,90 Euro. ISBN 978-3-258-08005-5
  • „Yoga. Für Kletterer und Bergsportler“, von Petra Zink, Bergverlag Rother (2019), Umfang 168 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-7633-6086-4
  • „Die Steinflut“ von Franz Hohler, btb Verlag (2011), Umfang 176 Seiten, 8,99 Euro, ISBN 978-3-442-74269-1
  • „Der lebende Berg“ von Nan Shepherd, Verlag Matthes & Seitz (2017), Umfang 184 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-9575-7419-0

Transparenzhinweis: Einen Teil der Bücher haben mir die Verlage kostenfrei zur Verfügung gestellt: Lichtung Verlag GmbH, Haupt Verlag, Bergverlag Rother sowie btb Verlag.

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