Münchner Momente

dah-dah-dit di-dah-di-dit …: A-N-T-A-R-C-T-I-C-A!

„South Pole“-Abenteuer an der Staatsoper in München

This land. The frozen ice. No day, no night. No life. But what does that really mean?“, überlegt Amunden in der Oper South Pole an der Bayerischen Staatsoper in München, als er sein Ziel, den südlichsten Punkt der Welt, als überhaupt erster Mensch mit seinem Team erreicht hat.

Eine Oper? In einem Blog, der sich sonst vor allem um das Draußensein dreht? Ja! Unbedingt. Beim Thema Schnee und Eis nahezu ein Muss. Selbst, wenn ich nur hin und wieder in der Oper bin.

Weil’s ist wie’s ist, kann ich – anders als meine sympathische Sitznachbarin bei South Pole – auch gar nicht sagen, ob mich die eine oder andere Dissonanz allzu sehr gestört hat. Wenn ich’s genau nehme, dann kann ich überhaupt wenig zur Musik dieser Auftragsoper sagen, denn so ziemlich vom Beginn weg war ich mitten hineingezogen in das Geschehen. Hineingezogen in das „Was genau?“ der Geschichte, in das „Wie?“ der Umsetzung. So sehr, dass ich die Musik kaum als Musik wahrnahm.

Fram proceeding Antarctica

Da ist zunächst dieser für Scott unsägliche Moment, in dem er erfährt, dass auch Amundsen mit seinem Expeditionsschiff Fram in die Antarktis unterwegs ist. Gemorst, dah-dah-dit di-dah-di-dit … „Beg leave to inform, Fram proceeding Antarctica.“, heißt es in dessen Telegramm. – Das Rennen um den Südpol ist damit 1910 eröffnet. Gut hundert Jahre später läuft es mir bei dieser Nachricht in der Münchner Staatsoper kalt den Rücken herunter.

Eine Sternstunde der Menschheit

Natürlich kennen wir schon den Lauf der Geschichte. Als eine der Sternstunden der Menschheit hat Stefan Zweig sie verewigt: Amundsen und Scott machen sich nach dem (ant-)arktischen Winter auf Richtung Südpol. Aus unterschiedlichen Richtungen. Und mit Taktiken, die unterschiedlicher kaum sein können. Der eine auf Ski, mit Schlittenhunden und dem überlieferten Wissen der Eskimos. Der andere zu Fuß, mit Ponys und dem Vertrauen auf moderne Technik. Der eine so schnell, dass er scheinbar selbst nicht glauben kann, nach gut 1.300 Kilometern das Ziel erreicht zu haben. Noch dazu als Erster. Der andere langsam: „We moved so little, like time has stopped … Have we moved at all?“ Vor allem kurz vor dem Pol wird diese Langsamkeit fühlbar unerträglich. Und während der eine bald sicher wieder im Basislager ankommt, stirbt der andere mit seiner entkräfteten Mannschaft auf dem Rückweg. Durch einen Wintersturm festgehalten im Zelt, nur 18 Kilometer entfernt vom rettenden Nahrungsmittel-Depot.

This land is strange. – This land is wild.

Max-Joseph-Platz aka Antarctica

Die Musik vom Komponisten Miroslav Srnka wurde für mich schnell zum Hintergrundgeräusch der vermeintlich stillen Antarktis. Mal leiser, mal lauter. Vielleicht habe ich die Musik letztlich nur noch als große, weiße – mal milde, mal garstig gestimmte – Eislandschaft wahrgenommen, weil die Expeditionen als parallel laufende Handlungsstränge erzählt wurden. Oft mit vielen Mikroereignissen. Als Doppeloper verlangte das die volle Aufmerksamkeit: Links auf der Bühne Scott und seine Männer, rechts Amundsen und seine Jungs. Darüber je ein Übertitel.

Zwei Handlungsstränge, die nebeneinander mal das diametral andere Herangehen der Polarforscher bei ihrer Expedition darstellen. Die dann auch wieder ineinander gewebt sind und zeigen, dass beide Männer mitunter ähnliche Überlegungen haben, dass beide ähnliche Ängste plagen. Die zwei Handlungsstränge sind nahezu identisch, wenn es beispielsweise um die Frage geht, wie die beiden die unwirtliche Antarktis erleben. Und ja: Wenn es um die Frauen daheim geht. Amundsen und Scott führen, obwohl nie direkt miteinander redend, sogar Dialoge auf der Bühne. Da gibt es nachdenkliche Antworten von dem einen auf nagende Fragen des anderen. Traumgleich.

Wie klingt der Südpol?

Rund um die Südpol-Oper ein riesiges Angebot an Informationen. Da werden alle Karten ausgespielt: Ein einsames, schwarzes Expeditionszelt vor der Oper, eine fabelhafte zwölfminütige Klanginstallation des Unbewohnbaren unter dem Opernportal. Ein Basislager mit dem Tagebuch von Scott und Proviantkisten voller Kekse im Obergeschoss. Ein Programmbuch mit fesselnden Hintergrundinformationen. Begleitkonzerte an eher außergewöhnlichen Orten. Wie dem Haus des Alpinismus auf der Praterinsel oder dem Aerodynamik-Windkanal bei BMW. Im Internet ein eigener South-Pole-Blog, die Begleitung auf Twitter. Fast schon spielerisch ergänzt das Virtuelle wunderbar das Reale.

Für mich überhaupt eine der bemerkenswertesten Entwicklungen: Ob man nun für die Oper tatsächlich eine Karte bekommen hat oder nicht. – Jeder kann sich über unzählige Begleitkanäle informieren, kann spannende Angebote nutzen. Und so weit über die Vorstellung hinaus ganz unkompliziert an der Oper in der Stadt teilhaben.

Und nun? Werde ich noch mal ganz ausführlich bei ARTE reinhören. Denn der Sender hat die Uraufführung vom 31. Januar 2016 mitgeschnitten; das Video ist zunächst bis Ende März 2016 verfügbar. (Alternativ gibt’s hier einen dreiminütigen Trailer.)

Weitere South-Pole-Vorstellungen: Donnerstag, 11. Februar 2016 sowie Dienstag, 5. Juli 2016.

Zum Weiterschauen: Der Wettlauf zum Südpol – Amundsen gegen Scott (90 minütiger Dokumentarfilm)

Die Bayerische Staatsoper hat mich zur South-Pole-Aufführung eingeladen. 

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