Deutschland Münchner Momente

Ins Blaue! Natur in der Literatur

Literaturhaus München Ausstellung

Eine Ausstellung in elf Kapiteln

Eigentlich eigenartig: So richtig stolpert man im ersten Augenblick gar nicht über dieses so leicht wirkende Band zwischen den Begriffen „Blau“ und „Natur“. Dabei würden doch sicher viele von uns eher erst einmal bei „Grün“ ankommen, wenn wir beschreiben sollten, was das innere Auge sieht, wenn der Geist an die Natur denkt. Vor allem nach einem langen Winter.

Vielleicht ist genau das aber eine einfach viel zu sehnsuchtsgetriebene Sichtweise – die eines Städters, der ganz automatisch dem allzu gewohnten Betongrau das andächtig geliebte Baumgrün entgegensetzen will. Denn wie die aktuelle Ausstellung im Literaturhaus München gleich zu Beginn postuliert: „Je mehr wir uns von der Natur entfremden, desto mehr sehnen wir uns nach ihr.“ Und mit der Sehnsucht kommt das Nicht-mehr-klar-sehen-und-unterscheiden-Können.

Wären wir weniger entfremdet, würde uns wohl viel früher auffallen, wie viel Blau uns – neben all dem Grün – tatsächlich in der Natur umgibt: Wir würden an das Meer oder an einen Fluss denken, an einen Eisberg, vielleicht auch einfach an den Enzian oder eine andere blaue Blume.

Die Vermessung des Himmels: Cyanometer.

Überhaupt: Blau! – 1789 erfand Horace-Bénédict de Saussure das Cyanometer und vermaß damit fortan das Himmelsblau. Eine Übung, der sich alsbald auch Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe hingaben.

Davon liest man auf einem der vielen Exponate, die die Ausstellungsmacher in elf Naturkunsträumen, also elf Kapiteln sortieren. Und die sie dabei doch wie gewollt in einem einzigen Durcheinander erscheinen lassen.

Genau dieses Durcheinander ist es, was mir taugt: Die Ausstellung schaut auf 2.500 Jahre Literaturgeschichte der Natur. Ohne über eine grobe Einteilung („der Himmel, das Gras“, „das Meer, der Sand, das Gebirge, das Eis“ oder „das Wetter, das Licht“) hinaus zu viel zu wollen, ergibt sich so genügend Raum für vielfältigste eigene Assoziationen. Und ganz nebenbei macht die Ausstellung Lust, wieder mal durch das eine oder andere Buch zu blättern. Oder sich gar festzulesen. Sei es bei Thomas Mann oder Gertrude Stein.

Nur nicht zu verkopft angehen

Bei allen Referenzen, Zitaten und großen Namen kommt die Ausstellung sehr spielerisch daher. Was nicht zuletzt an folgendem Ansatz liegt: Für das Projekt wurden Autoren und Autorinnen, die sich mit Natur auseinandersetzen, um ein persönliches Objekt gebeten, das sie mit „Natur“ verbinden. – Ausgestellt sind so gewöhnlich wie skurril wirkende Objekte wie eine Mückenpatsche und ein Kaninchenfell, mitteleuropäischer Hausstaub und ein Biberschädel mit Nasenspitzen und herausgezogenem Zahn.

Daneben sprechen eine Schwarz- und die Weisskammer die Sinne an, ebenso wie ein Kräuterwagen. Oder eine Wiese, auf der man sich einen Moment oder länger fallen lassen kann.

Um’s kurz zu machen: Es ist erstaunlich, wie immer wieder wandelbar sich der überschaubare Ausstellungsraum im Literaturhaus gibt und in diesem Fall ganz viel Lust aufs Rausgehen (Natur selbst erleben) und Drinbleiben (einfach wieder ein verregnetes Lesewochenende genießen) macht. Ruhig etwas mehr Zeit mitbringen für eine Reise „Ins Blaue“. Und für den langfristigen Genuss daheim auch noch zum Ausstellungskatalog greifen. Es lohnt sich!

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