Herbst in den Fideriser Heubergen

Gibt’s eigentlich nen Nebel-Fetisch? Ich mein: Wie sonst wäre es erklärbar, dass ich Nebel als etwas durchaus sehr Schönes empfinde.

Vielleicht braucht’s einfach nur positive, kindliche Assoziationen: Nehmen wir mal den November irgendwo in Norddeutschland. Die Tage sind dann spürbar kurz, schon am frühen Nachmittag wird es dunkel. Wahrlich nicht der Moment im Jahr, den man unbedingt draußen verbringen möchte. Und dennoch: Wenn ein Kind just in dieser Zeit Geburtstag hat, hängt bei ihm natürlich eine gewisse Vorfreude in der Luft. Eine ähnliche Aufregung wie ein paar Wochen später, zu Weihnachten. Nur in schmuddelig-grau-November-nebelig.

Die Jahre ziehen ins Land; die Empfindungen aus der Kindheit, wenn Nebel aufkommt, bleiben. In den Fideriser Heubergen hat mich dieses seltsam heimelige November-Gefühl unlängst wieder eingeholt:

Dass aus der geplanten Rundwanderung vom Berghaus Heuberge über das Mattjischhorn nichts werden würde, war relativ schnell klar, kaum dass wir losgelaufen waren. Denn der Himmel zog extrem schnell zu. Wir änderten unseren Plan, ließen uns einfach treiben – vorbei an den Clunerseen durch das Moor. Hinauf zur Arflinafurgga, wo der Nebel hier und da ausflockte und sich die Feuchtigkeit der Luft als Eispanzer um die Grashalme legte. Noch ein paar Meter weiter, bis endgültig klar war: Hier gibt’s heut nichts mehr zu sehen.

Keinen Gipfel erreicht, nicht mal wirklich viel gesehen. – Eigentlich der ideale Ausflug, um mit langen Gesichtern zurückzukehren. Stattdessen: Ein In-sich-hinein-Grinsen und später, bei der Übernachtungs-Gastgeberin in Fideris, glücklich von diesem Ausflug berichtend.

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den andern,

Jeder ist allein.

– Hermann Hesse, Im Nebel –

In Fideris, Prättigau

Gut zu wissen:

Die Fideriser Heuberge sind eine Art Hochplateau, ein weiter, kesselartiger Talschluss im Prättigau. Im Winter ruckeln hier für die Skifahrer drei kleine, alte Lifte vor sich hin. Ansonsten, soviel ist auch zwischen Nebel klar, sind die Heuberge ideal für Skitourengeher und Schneeschuhwanderer. Außerdem für Rodler – eine zwölf Kilometer lange Rodelbahn führt bis hinunter nach Fideris.

Eigentlich ist die Rodelbahn eine Straße, die einzige Zufahrt zu den Fideriser Heubergen. Mit dem privaten Auto musst du eine Maut entrichten (entweder in Fideris, bei der Touristen-Info, oder in einer der beiden Herbergen in den Heubergen). Alternativ fährt ein Kleinbus. Oder du wanderst oder radelst hinauf.

Pittoresker Ausgangspunkt, um in die Fideriser Heuberge zu gelangen, ist das namensgebende Dorf: Fideris hat rund 600 Einwohner. Und eine Menge schöner, guterhaltener alter Bausubstanz. Fotografieren wird wahrscheinlich fast jeder im ehemaligen Heilbad, dessen Bedeutung allerdings mit Ende des 19. Jahrhunderts schwand und dessen Heilquelle 1967 durch ein Hochwasser verschüttet wurde.

Zum Übernachten kannst du ebenfalls in Fideris bleiben, im entzückenden Türmlihus. – Wenn du knarzende Balken, verwinkelte Räume und ganz viel Geschichte magst, wirst du dieses Haus lieben. Tipp: Das Angebot von Gastgeberin Ruth Niederer nutzen, und am Abend kochen lassen. Im Dorf selbst gibt’s derzeit kein Gasthaus, außerdem ist ein Essen in der guten Stube das i-Tüpfelchen dieser außergewöhnlichen Auszeit.

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