Bergsofa Vermischtes

Buchtipp: Toteis

Zwischen Wahrheit und Dichtung

Unsere sich zurückziehenden Gletscher werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wohl noch einige aufsehenerregende, zunächst nicht einordenbare oder einfach nur skurrile Funde freigeben. Ausspucken aus dem schwindendenen Eis und aus dem tauendem Schnee.

Genau damit beginnt auch der Bergkrimi „Toteis“: Karl ist begeisterter Bergsteiger und kundschaftet eine Bergtour auf den Watzmann aus, als ihm auf den Resten des Watzmanngletschers Blechteile auffallen. Von einem Flugzeug, wie sich bald herausstellt.

Da Karl nicht nur Bergsteiger, sondern auch Journalist ist, ist schnell sein „Schnüffelinstinkt“ geweckt: Das Flugzeug, eine Ju 52 – besser bekannt als „Tante Ju“, muss in den 1940er Jahren dort abgestürzt sein. Doch seltsamerweise findet sich dazu nur eine knappe Meldung im Zeitungsarchiv. Und so beginnt eine aufregende Recherche um die Hintergründe seines Fundes, bei der Karl jegliche journalistische Distanz zu seinem Recherchethema verliert und gefährliche Bekanntschaften macht …

„Toteis“ ist der wohl eigenwilligste Bergkrimi, den ich seit langem gelesen habe. Er fängt langsam, nahezu lahm an. Schafft es auf den ersten zwanzig, dreißig Seiten nur mühsam, mich bei der Stange zu halten. Doch das (Nicht-)Tempo hat System: Fast scheint es, als ob man gemeinsam mit dem Autor einen langen Winterabend verbringt. Und der Autor – im Film wäre es diese sonore Stimme aus dem Off – mit Abstand und Ruhe über die aufregende Zeit im Watzmannkar erzählt.

Wobei – über lange Strecken folgen wir dem Autor bei seinen Recherchen zwischen München, Stuttgart und Berlin quer durchs Land, enden zwischendurch gar in Mittelschweden. Als Leser ist man gut dran, früher oder später tatsächlich das zu tun, wozu der Autor rät: Selbst zu googeln. Sich ein eigenes Bild zu machen aus den Internetinformationen. Zu Hinweisen auf einen tatsächlichen Absturz im Watzmannkar. Zum Nurflügler. Auch zum Adlernest.

Es gibt diesen Moment, ab dem fühlt man sich selbst hineingezogen; ist gespannt auf den nächsten Satz, die nächste Seite. Denn im Buch sind geschichtliche Ereignisse und Gegenwarts-Eindrücke spannend ineinander verwebt. Und die Linie zwischen Wahrheit und Dichtung ist sehr fein. Links und rechts mit genügend Raum für eigene Spekulationen.

(c) Bergverlag Rother
(c) Bergverlag Rother

Spätestens dann, wenn man ins Historische eintaucht, ist auch eine Weile eine andere Frage vergessen – nämlich die, warum der Autor eigentlich unter einem Pseudonym schreibt. Ein Pseudonym hat Gründe. Es wäre, wenn man einige Hinweise im Buch nicht für Fantasien aus der Autorenfeder, sondern für bare Münze näme, vielleicht sogar notwendig. Aber es ist ja schon schade. Denn damit wird’s – zumindest vorerst – wohl auch keine Lesung geben. Wir werden einfach warten müssen, ob sich der Peter Panter des Watzmann eines Tages zu erkennen gibt.

Das Buch „Toteis“ von Georg Halder ist im Bergverlag Rother erschienen. Umfang 260 Seiten, kartoniert. In jedem Buchladen oder beim Verlag für 12,90 Euro (D) zu bestellen. ISBN: 978–3–7633–7076–4.

 

Das Buch “Toteis” hat mir der Bergverlag Rother als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

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